Nutzen und Risiken von attributiven Regelkarten

Als abschließendes Thema der Beitragsreihe zu den Regelkarten geht es diesmal um die attributiven Regelkarten (englisch: attribute control charts) als festem Bestandteil des Qualitätsmanagements und häufig eingesetztes Werkzeug in vielen SIX SIGMA-Projekten. Sie dienen der Überwachung von Prozessen, bei denen die Daten in Form von Attributen vorliegen – das bedeutet: zählbare Einheiten wie zum Beispiel die Anzahl von Fehlern, defekten Bauteilen oder Produkten. Im Gegensatz zu Variablen-Regelkarten, die kontinuierliche Daten analysieren, werden attributive Regelkarten für numerische Daten verwendet, die in der Regel durch Zählen erfasst werden.

Typen von attributiven Regelkarten

Es gibt verschiedene Arten von attributiven Regelkarten, die sich mit jeweils unterschiedlichen Aspekten und Anforderungen der Qualitätskontrolle beschäftigen:

  • p-Karten: Sie werden verwendet, um den Anteil der fehlerhaften Einheiten in einer Stichprobe zu überwachen. Sie sind nützlich, wenn die Stichprobengröße variabel ist.
  • np-Karten: Diese Karten zählen die Einheiten, die innerhalb einer Stichprobe mit konstanter Größe fehlerhaft sind.
  • c-Karten: Die c-Karten werden verwendet, um die Anzahl der Fehler in einer zuvor festgelegten Stichprobengröße zu überwachen. Relevant ist hier die Gesamtzahl der Fehler in der Stichprobe, unabhängig davon, wie viele Einheiten Fehler aufweisen.
  • u-Karten: Diese überwachen die Anzahl der Fehler pro Einheit in Stichproben mit variabler Größe.

Wie können statistisch relevante Aussagen getroffen werden?

Um mithilfe von SIX SIGMA und dazugehörigen Werkzeugen wie attributiven Regelkarten stichhaltige Aussagen in Hinblick auf beispielsweise Produktionsfehler treffen zu können, gilt:

Die Stichprobengröße n ist abhängig von Fehleranteil p. Die Regel besagt, dass n × p > 5 sein muss. Die Größe der Stichprobe muss bei attributiven Daten so gewählt werden, dass der jeweilige Fehler mindestens 5-mal auftaucht, um verlässliche Aussagen treffen zu können.

Was ist bei attributiven Regelkarten für SIX SIGMA-Prozessoptimierungen zu beachten?

Attributive Regelkarten sind zwar simpel in der Anwendung, aber nicht immer sinnvoll – denn sie verwenden binäre Daten (gut bzw. schlecht) und liefern somit wenig detaillierte Informationen. Zudem sind sie weniger empfindlich gegenüber kleineren Prozessänderungen und führen bei geringen Fehlerquoten zu kaum aussagekräftigen Ergebnissen. Eine klare Entscheidungsgrundlage gibt es somit meist nicht. Um zum Beispiel einen Prozess mit einer Fehlerquote von 5 % von einem anderen Prozess mit einer Fehlerquote von 6 % unterscheiden zu können, wäre eine Stichprobengröße von je etwa 11.000 Teilen nötig – was unmöglich ist. Hinzu kommt, dass Fehlerarten vorab definiert sein müssen – das bedeutet, es wird pro Fehlerart eine eigene Regelkarte benötigt. Ein weiteres Manko, weswegen attributive Regelkarten mit Vorsicht zu genießen sind, ist die Beurteilung der Fehler durch den Menschen. Sichtprüfungen ergeben nicht unbedingt vertrauensvolle Daten.

Attributive Daten sollten daher nur in Ausnahmefällen erhoben werden und nur, wenn es keine andere Möglichkeit gibt. Variable Daten hingegen liefern präzisere Messwerte und ermöglichen eine detailliertere Analyse von Prozessvariabilitäten. Sie sind empfindlicher gegenüber kleinen Abweichungen und bieten tiefere Einblicke in die Prozessleistung, wodurch eine proaktive Prozesssteuerung und Fehlervermeidung erleichtert wird.

Anwendungsbeispiel:

Ein Hersteller für hochwertige Bleikristallgläser nutzt eine np-Karte zur Überwachung der Anzahl beschädigter beziehungsweise verkratzter Glasoberflächen. In jeder Schicht wird eine Stichprobe von 50 Gläsern auf Kratzer in der Glasoberfläche überprüft. Die Fehler werden erfasst und die Anzahl anschließend in die np-Karte eingetragen. Bei der Analyse ergibt sich, dass der Anteil der Bleikristallgläser mit Oberflächenkratzern außerhalb der zuvor festgelegten Kontrollgrenzen liegt – und der Produktionsprozess daher untersucht und angepasst werden muss, um Qualitätsprobleme und Fehler im Ablauf zu reduzieren.

Fragen? Ihr SIX SIGMA-Experte ist gern für Sie da

Attributive Regelkarten sind also verhältnismäßig einfach anzuwenden, erbringen aber nicht immer zielführende und verlässliche Ergebnisse. Es ist also Vorsicht geboten, wenn die Karten zur Prozessverbesserung eingesetzt werden sollen. Weitere Details erläutere ich Ihnen gern bei Schulungen oder im persönlichen Gespräch. Ich freue mich auf Ihre Anfrage.

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