Prozessvariation sichtbar machen – Multi-Vari-Analyse in der SIX SIGMA-Praxis

Kennen Sie das? Die Maschine ist eingestellt, die Toleranzen sind definiert, die Mitarbeiter perfekt geschult. Eigentlich müsste alles nach Plan laufen – und trotzdem: Einige Flaschen sind zu voll, einige Ankerwellen zu dünn – manche Produkte sind einfach nicht, wie sie sein sollten. Aber wie kommen diese Variationen zustande? Hier kommt die SIX SIGMA-Prozessoptimierung ins Spiel und insbesondere die Multi-Vari-Analyse, die dieser Blogbeitrag näher behandelt. Sie zeigt, woher die Streuung kommt, wer oder was sie verursacht und vor allem: wie wir sie schnellstmöglich loswerden.

Was kann die Multi-Vari-Analyse?

Mit der Multi-Vari-Analyse bedienen wir uns im Rahmen eines SIX SIGMA-Projekts eines grafischen Werkzeugs, um Variationen in Prozessen systematisch zu identifizieren. Besonders hilfreich ist sie in der Measure-Phase des DMAIC-Zyklus, um Ursachen von Prozessschwankungen sichtbar zu machen.

Was macht das Multi-Vari-Diagramm so einzigartig? In komplexen Produktions- oder Dienstleistungsprozessen treten häufig mehrdimensionale Variationen auf. Das bedeutet: mehrere Einflussfaktoren wirken auf das Ergebnis ein: unterschiedliche Maschinen und Bediener, verschiedene Materialien oder variierende Umgebungsbedingungen.

Die Multi-Vari-Analyse beantwortet Fragen wie:

  • Wo tritt die größte Variation auf?
  • Steht die Variation in Verbindung mit räumlichen, zeitlichen oder personellen Faktoren?
  • Welcher Faktor hat den stärksten Einfluss auf das Ergebnis?

Dank der intuitiven grafischen Darstellung der Daten in Multi-Vari-Charts ist für SIX SIGMA-Teams schnell ersichtlich, welche Faktoren dominieren – und wo Optimierungsbedarf sowie -potenzial bestehen.

Praxisbeispiele zur Anwendung der Multi-Vari-Analyse

Beispiel 1: Saftabfüllung mit Überfüllung

Ein Unternehmen füllt Saft in Flaschen ab. Die Sollmenge beträgt 220 ml ± 5 ml. Zwei Maschinen arbeiten im Zwei-Schicht-Betrieb, jede mit sechs Füllköpfen. Es kommt regelmäßig zu Überfüllungen einzelner Flaschen.

Die Multi-Vari-Analyse zeigt: Füllkopf 6 an Maschine 1 liegt systematisch über der oberen Toleranzgrenze. Das bedeutet, dieser Füllkopf füllt zu viel ab – unabhängig von Schicht oder Bediener. Die grafische Darstellung macht diesen Fehler sofort sichtbar. Eine ergänzende Streuungskarte zeigt zusätzlich, wie stabil oder instabil die einzelnen Füllköpfe arbeiten.

Beispiel 2: Unrunde Ankerwellen

Ein Hersteller von Ankerwellen für Elektromotoren stellt fest, dass die Durchmesser der Wellen außerhalb der Toleranz von 0,250 ± 0,001 mm liegen. Die Analyse ergibt: Die Wellen sind unrund, mit großen Unterschieden zwischen minimalem und maximalem Durchmesser. Der Durchmesser ist rechts stets kleiner als links – ein Hinweis auf schiefe Werkzeugausrichtung. Nach einer Maschinenabschaltung zur Frühstückspause steigen die Werte sprunghaft an – Ursachen sind Erwärmung und zu wenig Kühlschmierstoff. Ein ausgeschlagenes Drehlager wird ebenfalls als Fehlerquelle identifiziert.

Durch gezielte Maßnahmen – Nachjustierung, Lageraustausch und Kühlmitteloptimierung – kann die Streuung um den Faktor 6 reduziert werden. Die Kosteneinsparungen sind erheblich.

Vorteile der Multi-Vari-Analyse – und Grenzen

Die Multi-Vari-Analyse, angewandt als SIX SIGMA-Werkzeug, bietet mehrere Vorteile:

  • schnelle und einfache Visualisierung komplexer Zusammenhänge
  • klare Identifikation der Hauptursachen für Variation
  • Hilfestellung bei der Priorisierung von Optimierungsmaßnahmen

Allerdings hat die Analyse auch Grenzen: Sie eignet sich weniger für sehr große Datenmengen oder nicht-lineare Zusammenhänge. Auch setzt sie eine gut strukturierte Datenerhebung voraus.

Effektives Werkzeug zur Ursachenanalyse in SIX SIGMA-Projekten

Geht es um zunächst unklare Variationen in der Produktion oder in Dienstleistungsprozessen, ist die Multi-Vari-Analyse ein effektives Mittel, um den Ursachen auf den Grund zu gehen. Sie unterstützt beteiligte Teams dabei, prozessbedingte Schwankungen zu verstehen, zu visualisieren und schließlich zu reduzieren. Beide Praxisbeispiele zeigen, dass sich konkrete Fehlerquellen verhältnismäßig schnell und klar identifizieren lassen, um sie gezielt zu beheben – mit direktem Einfluss auf Qualität und Kosten. Fragen zum Thema beantworte ich gerne.