Kleiner Geschichtsexkurs: Was hat SIX SIGMA mit Bier zu tun?

Die Überschrift mag seltsam klingen – doch tatsächlich hat eines der wichtigsten statistischen Verfahren, die im Rahmen eines SIX SIGMA-Projekts angewendet werden, seinen Ursprung in der Bierbrauerei. Es geht um die t-Verteilung, auch t-Test oder Student’s t genannt. Hiermit wird geprüft, ob es einen signifikanten Unterschied der Mittelwerte zweier untersuchter Gruppen gibt. Die t-Verteilung kommt unter anderem in der Berechnung des Konfidenzintervalls zum Einsatz, wenn die Standardabweichung der Grundverteilung unbekannt ist.

Vom Bier zur t-Verteilung

Aber wo ist nun der Zusammenhang zum beliebten Gerstensaft zu finden? – Beim Erfinder des t-Tests, William S. Gosset. Er studierte an der Universität in Oxford und machte 1899 Abschlüsse in den Fächern Chemie und Mathematik. Etwa zur gleichen Zeit veröffentlichte die bereits traditionsträchtige Guinness-Brauerei in Dublin eine Stellenausschreibung, um das Bierbrauen und die Zusammensetzung des Bieres erstmals wissenschaftlich untersuchen zu lassen. Gosset bewarb sich und bekam diese Stelle.

Insbesondere die Auswirkungen verschiedener Gersten-Arten auf den Geschmack des Bieres sollte Gosset untersuchen. Ziel der Brauerei war es, die Bierherstellung zu perfektionieren und dauerhaft die Qualität zu erhöhen, um die eigene Stellung am Markt zu festigen. Für einen Wissenschaftler wie Gosset bedeutete das die Durchführung einer Vielzahl an Experimenten mit Zusammensetzungen in verschieden hohen Anteilen. Die Brauerei selbst aber hatte natürlich auch finanzielle Aspekte im Sinn und war wenig angetan von derart vielen Versuchen, bei denen viel Bier weggeschüttet werden musste.

Der Mangel an Proben führte zur Entstehung der für SIX SIGMA wichtigen t-Verteilung

Gosset stand also vor der Herausforderung, aus möglichst wenigen Proben ein maximal aussagekräftiges Ergebnis zu generieren. Dabei hatte er sowohl in der Guinness-Brauerei als auch bei seinen wissenschaftlichen Kollegen eine schwere Stellung: Von anderen Bierbrauern wurde er eher als Professor belächelt, während seine Kollegen im University College London in ihm zusehends mehr einen Bierbrauer als einen Wissenschaftler sahen.

Aufgrund der mangelnden Daten konnte Gosset nicht die üblichen Methoden der Biometrie anwenden, die auf großen Stichproben basierten. Gezwungen, mit wenigen und kleinen Stichproben zu arbeiten, entwickelte Gosset die t-Verteilung, um zu prüfen, ob sich die Bier-Qualität bei verschiedenen Chargen oder Gerstensorten signifikant veränderte. Er nutzte den t-Test, um zu berechnen, wie wahrscheinlich es ist, dass der festgestellte Unterschied zwischen zwei Mittelwerten rein zufällig ist oder auf einen echten Effekt zurückzuführen ist.

Pseudonym: Student

Mit der Entwicklung des t-Tests entwickelte Gosset ein elegantes und vergleichsweise einfaches Verfahren der Statistik. Da die Guinness-Brauerei es Mitarbeitern allerdings untersagte, Forschungsergebnisse zu publizieren, veröffentlichte Gosset seine Ergebnisse unter dem Pseudonym „Student“, weshalb man heute noch von der „studentischen t-Verteilung“ oder im Englischen von „Student’s t“ spricht. Erst nach Gossets Tod machten die wenigen Kollegen, die um sein Pseudonym wussten, seinen echten Namen publik.

Der t-Test ist auch heute noch ein wichtiges statistisches SIX SIGMA-Werkzeug

Bei der Erforschung von Bier entstanden, ist die t-Verteilung noch heute in sämtlichen Bereichen der Statistik, Forschung und Wissenschaft ein unverzichtbares Werkzeug zur Prüfung von Hypothesen bei begrenzten Daten. Somit hat Gosset einen bedeutenden Beitrag geleistet, der ebenfalls in SIX SIGMA-Projekten regelmäßig zur Anwendung kommt.