Projekt statt Prüfung nach SIX SIGMA-Schulung: Vorteile für Unternehmen und Mitarbeitende

Projekt statt Prüfung nach SIX SIGMA-Schulung: Vorteile für Unternehmen und Mitarbeitende

Im vorangegangenen Blogbeitrag habe ich Anwärtern eines Green Belts hilfreiche Tipps für die Prüfung mit auf den Weg gegeben. Aber: Ist eine klassische Prüfung eigentlich unbedingt notwendig? Viele Unternehmen, in denen ich als SIX SIGMA-Coach Schulungen für White, Green, Black und Master Black Belts abhalte, wünschen sich eine Abschlussprüfung mit Zertifikat für teilnehmende Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter. Persönlich halte ich von diesem Vorgehen nicht viel – und schlage eine Alternative vor, die für Mitarbeitende und Unternehmensleitung Vorteile bringt.

Schulung mit Abschlussprüfung – was spricht dagegen?

Dass die meisten Unternehmen, die eine SIX SIGMA-Schulung für Ihre Mitarbeitenden buchen, im Anschluss auch eine Prüfung erwarten, ist eigentlich klar – schließlich ist das der klassische Ablauf. Aber nur, weil etwas normalerweise so ist, muss es nicht gut sein. Das lehrt uns SIX SIGMA schließlich auch. Es gibt wichtige Argumente, die gegen eine solche Prüfung zur Zertifizierung sprechen:

  • Nach zehn Tagen Schulung/Training fühlen sich die Green Belt-Teilnehmer wie nach einer „Druckbetankung“. Sie lernen viele Werkzeuge, die den allermeisten bislang unbekannt waren. Eine Prüfung direkt im Anschluss an das Training ist nicht möglich, da das gehörte und auch trainierte Wissen sich noch gar nicht „in den Köpfen“ gefestigt hat. Das passiert erst nach dem Training, wenn die Teilnehmenden das Erlernte auch tatsächlich in ihrem jeweiligen Arbeitsumfeld anwenden.
  • Eine Prüfung – in welcher Form auch immer – verlangt nach einer Benotung. Dies kann nach Schulnoten geschehen oder im einfachsten Fall nach „bestanden“ oder „nicht bestanden“. Ein Kandidat, der durch die Prüfung fällt, stellt sich die Frage, ob er mit einer Kündigung rechnen muss oder wie viel er für das Unternehmen noch wert sei. Das ist sowohl für die Kandidatinnen und Kandidaten selbst als auch die Vorgesetzten eine sehr ungünstige Situation.
  • Eine Prüfung verlangt ein festgesetztes Datum – zum Beispiel drei Monate nach Ende des Green Belt Trainings. Nicht jeder Teilnehmende kann in dieser Zeit den Stoff wirklich verinnerlichen; manche haben ein paar Wochen Urlaub, viele haben sich mit den Problemen des Tagesgeschäftes auseinanderzusetzen. Dann wird der Prüfungstermin verschoben und wieder verschoben. Das ist alles ziemlich unpraktikabel, da es ja einige Kandidatinnen und Kandidaten gibt, die schon prüfungsbereit sind, andere eben noch nicht.
  • Durch die Prüfungsankündigung erzeugt man bereits während des Trainings Dauerstress und Anspannung. Das ist negativ für eine entspannte Lernatmosphäre.

Ein eigenes SIX SIGMA-Projekt schafft praktisches Know-how und bringt das Unternehmen weiter

Warum sollte man also das gerade frisch erworbene Wissen in einem Multiple Choice-Test oder einer anderen Art von Prüfung abfragen? Selbst wenn der Teilnehmer besteht, stellt sich die Frage, ob er die erlernten Methoden auch in der Praxis anwenden kann. Was liegt also näher als eine Überprüfung der Fähigkeiten direkt im konkreten Arbeitsumfeld? Deshalb empfehle ich folgende Vorgehensweise:

  • Vor der Schulung erhält jeder Kandidat und jede Kandidatin ein Green Belt- oder auch Black Belt-Projekt, das er oder sie mit dem Champion (zum Beispiel Vorgesetzter oder Geschäftsführung) abstimmt.
  • Nach dem Training hat jeder Kandidat so viel Zeit für die Bearbeitung seines jeweiligen Green (Black) Belt-Projektes, wie er benötigt und wie es die Prioritäten im Unternehmen zulassen.
  • Am Ende des Projektes schreibt der Kandidat einen Bericht mit den anvisierten Zielen, den tatsächlichen Ergebnissen und den verwendeten SIX SIGMA-Werkzeugen. Dieser Bericht enthält auch die monetären Verbesserungen.
  • Der Kandidat sendet mir seinen Bericht zu – unter Wahrung der Vertraulichkeit – den ich anschließend lese und bewerte.
  • Erfüllt der Bericht die Anforderungen an die notwendige Professionalität (Vorgehen nach DMAIC, korrekte Anwendung der Werkzeuge etc.), so erhält der Kandidat das begehrte Green (Black) Belt-Zertifikat.

Dank diesem Vorgehen können sich die Teilnehmenden ohne Prüfungsdruck in die Arbeitsweise eines SIX SIGMA-Projekts einfinden, ihr theoretisches Wissen in der Praxis stärken und Unternehmensprozesse im Rahmen der vorher definierten Projekte optimieren. So profitieren beide Seiten.