Regelkarten

Bei Verbesserungsprojekten nach SIX SIGMA kommen zahlreiche verschiedene statistische Werkzeuge zum Einsatz – zur Analyse des Ist-Zustandes, für konkrete Optimierungsmaßnahmen sowie auch zur Überwachung der Effektivität erfolgter Prozessanpassungen. Ein Tool zur Überwachung von Prozessoptimierungen ist die Erstellung von Regelkarten. Dieser Blogbeitrag geht etwas näher auf die Funktion von Regelkarten bei SIX SIGMA ein.

Regelkarten für die statistische Prozesskontrolle

Das Ergebnis eines Prozesses ergibt sich aus vielen verschiedenen Einflussfaktoren. Sobald einer oder mehrere dieser Einflussfaktoren aus dem Gleichgewicht gerät, ändert sich das Prozessergebnis. Um das gewünschte Ergebnis zu erzielen bzw. ein gegebenes Ergebnis zu verbessern, müssen also die dafür relevanten Einflussfaktoren kontrolliert werden. Sie auf ein konstantes Level (in ein Gleichgewicht) zu bringen, führt dann dazu, dass sich das Prozessergebnis stabilisiert.

Auf Regelkarten werden vorab identifizierte Kenngrößen des Prozessverlaufes dargestellt und dokumentiert. Sie sind elementarer Bestandteil der statistischen Prozesskontrolle.

Prozessbewertung mithilfe von Regelkarten

Bei Regelkarten – auch Qualitätsregelkarten genannt – handelt es sich um Zeit-Serien-Diagramme. Statistische Kennwerte werden darauf jeweils in der geeigneten grafischen Form und in zeitlicher Reihenfolge der Messung dargestellt. Diese Kennwerte sind Output-Variablen von Prozessen und erlauben es, die Prozesse hinsichtlich bestimmter Merkmale bewerten zu können. Regelkarten bestehen grundsätzlich aus:

  • einem Graphen, der eine bestimmte Zeitspanne abdeckt,
  • einer zentralen Linie (Mittelachse), welche die Ergebnisse (Daten) eines Prozesses während dieser Zeit anzeigt,
  • Ober- und Unterlinien (Kontrollgrenzen), die anzeigen, ob eine Prozessvariation (Abweichung) innerhalb eines akzeptierten Bereiches liegt.

Regelkarten werden verwendet, um bestimmte Prüfdaten über einen längeren Zeitraum auswerten zu können, in der Regel im Zuge des Qualitätsmanagements und der Prozesskontrolle/Prozessoptimierung. Dazu werden für einen gegebenen Prozess viele verschiedene Daten gesammelt und dann auf der Regelkarte grafisch dargestellt. Eine Regelkarte zeigt auf, ob und inwiefern sich ein Prozess durch eine bestimmte Variable ändert (z. B. qualitative oder quantitative Änderung), indem Messwerte mit Kontrollgrenzen verglichen werden. Dies zeigt dann nicht nur, ob ein Prozess statistisch „unter Kontrolle“ ist (durch Abwesenheit von Unregelmäßigkeiten), sondern auch, in welche Richtung eine möglicherweise notwendige Verbesserungsmaßnahme erfolgen muss, um den Prozess wieder unter Kontrolle zu bringen bzw. das Endergebnis zu optimieren. Eine Gegensteuerung muss dann erfolgen, wenn die ermittelten Eingriffsgrenzen eines Messwertes über- bzw. unterschritten werden.

Common & Special Cause-Variation

Es gibt grundsätzlich zwei Arten von Variationen (die durch Qualitätsregelkarten aufgezeigt werden): sogenannte Common Cause-Variation und Special Cause-Variation. Im ersteren Fall handelt es sich um Grundrauschen. Common Cause-Variation wird durch keine besonderen Umstände verursacht, sondern sie ist dem Prozess inhärent und kann daher auch nicht komplett eliminiert werden. Special Cause-Variation ist im Gegensatz dazu nicht zufällig und es gibt einen bestimmten Auslöser hierfür im Prozessdesign, den es zu eliminieren gilt.

Mit Regelkarten kann abgelesen werden, welcher Art von Abweichungen ein Prozess unterliegt.

Ein Alltagsbeispiel

Mit Regelkarten könnte beispielhaft die abgefüllte Menge an Fruchtsaftgetränken, etwa an einem Automaten in einer Universität, dokumentiert und ausgewertet werden.

In dem Fall zeigt die Mittellinie auf der Regelkarte die durchschnittliche Abfüllmenge, die aus allen vorhandenen Einzelmesswerten (erhoben am Abfüllkopf der Maschine) ermittelt wird. Die obere und untere Kontrollgrenze – auch Eingriffsgrenzen genannt – ergeben sich ebenfalls aus diesen Einzelmesswerten und werden als horizontale Linien zusätzlich in die Regelkarte eingetragen.

Je nach Flasche, in die der Saft abgefüllt wird, kann das Messergebnis leicht schwanken. Die Regelkarte zeigt diese Schwankung in Form einer Zickzacklinie. Solange die Schwankungen innerhalb der Kontrollgrenzen bleiben und auch sonst keine Auffälligkeiten sichtbar werden, zeigt der Prozess seine natürliche Streuung. In diesem Fall sollte der Prozessbetreiber (z. B. der Saftlieferant) nicht eingreifen, da hier nur eine Common Cause-Variation vorliegt – sie ist ohnehin unvermeidbar.

Eine Special Cause-Variation würde man in vielen Fällen sofort erkennen: Ein bestimmter Messwert liegt dann außerhalb der Kontroll- bzw. Eingriffsgrenzen. Liegen die Toleranzgrenzen außerhalb der Kontrollgrenzen, so bedeutet das in diesem Fall, dass noch nicht zwangsläufig Ausschuss produziert wurde. Doch es ist nun notwendig, dass in den Prozess eingegriffen wird. Dazu muss zunächst die spezielle Ursache dieser Variation ermittelt werden: Es ist zu befürchten, dass eine ähnliche Abweichung früher oder später erneut auftreten wird. Ist die erneute Abweichung dann größer als die erste, kann sie möglicherweise außerhalb der Toleranzgrenzen liegen. In diesem Fall spricht man von Ausschuss.

Verwendet man eine Software zur Erstellung von Regelkarten, so können viele Typen von Abweichungen erkannt werden, die bei der einfachen Betrachtung durch den Menschen nicht sichtbar sind. Eine Regelkarte zeigt dem Prozessbetreiber nicht-natürliche Streuung an und der Bediener kann reagieren – also auf die richtige Art und Weise in den Prozess eingreifen – bevor ein Ausschuss entstanden ist.

Prozessregelkarten im SIX SIGMA

Da es im SIX SIGMA um die Optimierung von Prozessen geht, sind hier vor allem die sogenannten Prozessregelkarten von Bedeutung. Diese Art der Regelkarten zeichnet sich vor allem dadurch aus, dass die Kontrollgrenzen keinen vorab definierten Toleranzbereich widerspiegeln, sondern aus den gegebenen Prozessdaten berechnet werden. Gerade weil dem so ist, fallen prozessspezifische Unregelmäßigkeiten auf, die anderenfalls (bei einem standardisierten Toleranzbereich) vielleicht nicht als Ausreißer festgemacht werden könnten. Bei richtiger Anwendung von Regelkarten kann also in die Prozessführung eingegriffen werden, bevor echter Ausschuss erzeugt wird. Viele Unternehmen streben erst dann Maßnahmen an, wenn bereits signifikant Ausschuss erzeugt wurde. Durch die kontinuierliche Prozesskontrolle mithilfe von Regelkarten kann dies vermieden und schon vorab eingesehen werden, ob es Abweichungen gibt, die zum echten Problem werden können.

In einer Schulung zur statistischen Prozesskontrolle bei Dirk Jödicke lernen Teilnehmer, Qualitätsregelkarten zu erstellen, zu interpretieren und entsprechende Optimierungsmaßnahmen daraus abzuleiten.